Das wir es so gut mit den Kletterhallen haben
liegt an der Nähe zu Belgien von wo aus die Spielart der Toperope Spasshallen schon seit Mitte der achtziger Jahre in die rheinische Bucht importiert wurde. Uberhaupt empfindet man Köln, welches lange unter französicher Besatzung war, als sehr dem Westen zugewandt. Mit dem Auto ist man in fünf, mit dem Zug in vier Stunden in Bleau. In zwei Stunden ist man entweder im fantastischen Luxembourger Sandstein oder im exponierten Freyr mit seinen fünf Seillängen Routen bis 8c.
Nun, die Erfahrungen des Kölner Kletterers mit seiner Felsheimat im Kraftfeld der Politik, der Intrigen und des Ränkespiels kann man in typisch rheinisch-beschönigender Art nur als “charakterbildend” beschreiben. Eitle Regierungspräsidenten, die die Zufahrt zu ihrer Eifelvilla schnell noch asphaltieren lassen, bevor die Eifel zum Naturschutzgebiet wird, um dann umso maßloser gegen Kletterer vorzugehen gehören genauso dazu wie Spione in der zuständigen Sektion des Alpenvereins. Schön auch die Zeit, als 70% der Stenzelbergfelsen, die eigentlich zum Weltbewegungskulturerbe zählen sollten, mit dreimeter grossen, neonfarbigen Xen als verbotene Zonen gekennzeichnet waren. Im Grunde wurde uns das zum Verhängniss, was wir auf Parties durchaus geschätzt haben, nämlich dass man im Kölner Raum als Kletterer lange Zeit Exot war. Die wenigsten Kletterer hier haben Eltern, die auch schon in die Berge gegangen sind, in den Behörden herrscht Ahnungslosigkeit und der Alpenverein hatte die Mittelgebirge lange Zeit nicht auf dem Radar. Letztes Jahr noch wurden wir von einem Alpenvereinsmitglied darauf hingewiesen, dass man an der Hohenzollernbrücke nicht bouldern darf.
als Neukölner ist man gut beraten sich bei schönem Wetter erstmal hier zu zeigen. Routen mit interessanten Zügen bis in den oberen achten Grad, eine grandiose Aussicht und ein immer grosses Interesse der Bevölkerung und der Touristen schaffen den wahscheinlich besten Builderingspot der Welt. Den ein oder anderen wertvollen Tip: “Nimm doch die Treppe!” kriegt man hier auch ganz für umsonst!
Auch wenn die Kölner Polizei sich in vorbildlich lässiger Toleranz gegenüber dem vertikalen Treiben in der rheinischen Millionenmetropole übt, hat der Kölner Kletterer sich wegen der oben beschriebenen Geschichte seiner natürlichen Klettermöglichkeiten im Umland ein dickes Fell gegenüber Regelungen und Ge- und Verboten angeeignet. Wen interessiert, ob der Stenzelberg wann wie wo beklettert werden darf, wenn die Grundlage dieser Regelungen schon vollkommen Banane ist? Wir haben wirklich schöne kleine Felsen hier an denen wir einfach klettern wollen. Wir müssen nicht alles für den Vorstieg einboren, wir hinterlassen keine Spuren und folgen dem gesunden Menschenverstand. Aber sofort aus dem Gleeser Wald zu verschwinden weil ein offentsichtlich alkohohlkranker Jäger im Bewusstsein der ganzen jägerlobby hinter sich mit vorgehaltener Waffe auf uns einbrüllt, käme uns doch wie freiwillige Selbstkastration vor. Oft heisst das, auf leisen Sohlen und verschlungenden Wegen unser Kletterziel zu erreichen. Zur Orientierung geben wir deshalb hier nur die praktischen GPS Koordinaten an, damit man die Felsen auch findet wenn die Behörden den Wald aus “Errosionsschutz” mal wieder plattgemacht und die Zugangswege blockiert haben.
Das Bronx Rock in Wesseling, verkehrsgünstig zwischen Köln und Bonn gelegen, das Chimpanzodrome in Frechen, die Kletterfabrik im Kölner Szenestadteil Ehrenfeld (“Ihrefelld” wie der Köner sagt, so wie in der alten kölschen Weisheit “Alles Böse dieser Welt kommt aus Nippes, Kalk un Ihrefelld!”) und der Canyon in Chorweiler sind alles klasse Adressen, besonders wenn man eh in der Nähe wohnt. Für Nachteulen und Partyvolk ist dabei die Kletterfabrik mit Kneipen, Diskos und Konzerthallen in nächster Nähe am attraktivsten. Das Schraubniveau ist in allen Hallen sehr hoch, hier zahlt sich die lange Erfahrung des Kölners mit künstlichen Kletterwänden aus. So wie früher jedes Klettergebiet hat ja jetzt jede Halle ihre eigene Mikroszene in der man bestimmt Gleichgesinnte für gemeinsame Unternehmungen findet.
Wer in der priviligierten Situation ist, an der deutschen Sporthochschule studieren zu können, hat es besonders gut. Dort gibt es eine alte, aber mit etwas Fantasie sehr gut nutzbare Aussenwand aus Spritzbeton und eine Wand in Halle 21. Halle 21 ist eigentlich für die Turner und hat alle Turngeräte teilweise über Schnitzelgruben immer fix aufgebaut. Es ist ungemein inspirierend die Turner bei ihren rafinierten Trainings- und Übungsformen zu beobachten. Die Sporthochschule bietet überhaupt zahllose Möglichkeiten zur Horizonterweiterung und ist Anziehungspunkt für Studenten aus der ganzen Welt. Der Autor selber hatte keine Probleme schon 1989 im Fach “Trainings- und Bewegungslehre” das Diplomarbeitsthema “Ein Anforderungsprofil des Wettbewerbsklettern” durch zu bekommen. Ständig werden Probanden gesucht für laufende Untersuchungen zur Maximalkraft, Weltraumtauglichkeit und Konzentrationsfähigkeit. So mancher Absolvent arbeitet jetzt in Disziplinen der er vorher gar nicht kannte.
Durch die “neuen” Gebiete wie das inzwischen rund 700 Routen starke Ettringen (eine Stunde entfernt), sehr passablem Bouldern an kleinen Felsen (darunter ein ganz heisser Geheimtip den ich hier noch nicht verraten darf), dem besten Buildering der Welt und Hallen, die verhindern, dass man aus Mangel an Sozialkontakten zum wunderlichen Kauz wird, gehört Köln jedoch jetzt zu den eindeutig besten Wohnorten des deutschen Kletterers überhaupt.
Und wenn ihr vor Neid platzt!
Hohenzollernbrücke, Köln
50°56’28.07″N
6°58’6.97″E
In jeder Hinsicht das Zentrum des Kölner Kletterns! Sehen und Gesehen werden! Zahlreiche Umlenkhaken zum Topropen. Kalk speckt mittlerweile leider ab. Interessantes, steiles Sandsteinbouldern im Tunnel zum Hyatt hin.
Zoobrücke, Köln
50°57’7.86″N
6°58’44.94″E
Hauptsächlich am Pfeiler neben dem Jugendpark. (Schauplatz der BMX Weltmeisterschaften und cooler Open Air Festivals.) Bouldern und Topropen am Granit. Gesamter Quergang etwa IX, zwischen den Türen XI-, die beiden sehr luftigen Pfeilerkanten Toperopes etwa VII. Super zum Aufbau von Krallkänntchen Dauerpauer!
Mühlheimer Brücke, Köln
50°57’53.54″N
6°59’37.26″E
Erstes Buildering in Köln? Erhielt den Tip 1982 von Broad Peak Bezwinger Dieter Siegers, der in Mühlheim wohnte und zu Trainingszwecken sogar einige Griffe geschlagen hatte um sich einen leichten aber immer noch interessanten Quergang am ersten Pfeiler (von oben Richtung Rhein kommend) von Dehnungsfuge nach rechts bis 2. Kante etwa VII, zu ermöglichen. Gesamte Pfeilerumrundung von Gregor Jaeger immer noch herausfordernd, da Sandstein gerne etwas abschüssig und anspruchsvoll für die Füsse. Gut und gerne IX+. Traumproblem am dritten (direkt am Rhein gelegenen) Pfeiler. Kannte am Granit etwa 7b+ bloc Haiball! Hardcore Ambiente, nicht unbedingt erste Wahl für alleinkletternde Frauen. Manchmal gucken einem aber auch süsse Schaafherden zu!
Bronx Rock
Schauplatz der Soulmoves und des Bronx Rock Invitational, d.h. Interessanter, grosser Boulderbereich. Ausserdem grosse Vorstiegswand, Kinderwand, Bistro und meistens relativ staufrei zu erreichen.
Chimpanzodrome
Alte Industriehalle mit coolem Ambiente. Aussenwand. Guter Routenbau in allen Graden. Nicht sehr grosser, aber interessanter Boulderbereich. Steilste Wandteile der Kölner Hallen. Keine Parkplatzsorgen.
Kletterfabrik
Alte Industriehalle mit coolem Ambiente in einem der szenigsten Stadtteile Kölns. Guter Boulderbereich, im Winter 2006/2007 noch veredelt durch Block von Mike Tscharner. Junges, studentisches Publikum. Beste Wahl wenn man vorher oder nachher noch was in Köln vorhat…