Udo Neumann
Udo Neumann
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climbing in the Verdon Anfang Oktober 2005 war ich nach langer Zeit wieder einmal in der groen Verdon Schlucht klettern. Das wird Konsequenzen fr diesen Artikel haben, denn es schien mir so, als wre der Groteil der Touren dort Siebener und Achter. Nachgezhlt habe ich nicht, vielleicht habe ich den Eindruck nur weil die siebener dort so richtige siebener sind die sich wirklich nicht von selber klettern. Die Tritte sind durchweg sehr schwierig zu belasten, wenn sie gut sind ist garantiert kein Griff in der Nhe und so schleicht man sich, ab und zu unterbrochen durch eine Wadenstrommangel bedingte Nhmaschinen Attacke, durch die oft 50 Meter langen Seillngen. Leider weniger souvern als man sich das so wnschen wrde. Erschreckend, wie schwierig Oldschool klettern sein kann! Natrlich gibt es auch andere siebener, deshalb hier erstmal eine Betrachtung, mit was wir es in im siebten Grad in unseren Breiten so zu tun haben

Erstmal die gute Nachricht: Siebener sind besser gesichert als Sechser.

Erstmal die gute Nachricht: Siebener sind besser gesichert als die Sechser im letzten Artikel. Auch das dreidimensionale, blockige und Verschneidungsmssige weicht relativ strukturlosen Wnden die die Senkrechte umspielen. Abweichungen gibt es zwar, in Sachsen in der Form von Platten und in der Frnkischen und Pfalz als berhnge, sind jedoch selten. Fr diesen Artikel gehe ich davon aus, dass sich siebener bei uns im etwa senkrechten und strukturlosen Fels abspielen.
Eher abweisender, unstrukturierter Fels verlangt natrlich eine raffiniertere Klettertechnik. Whrend wir im sechsten Grad oft noch mit dem schieren nach oben wollen und einer rustikalen, ungehobelten Kletterweise zum Erfolg kommen, haben Siebener doch viel engere Toleranzen bezglich der Bewegungsausfhrung. Die Grafik “Ein Zug, drei Mglichkeiten” zeigt eine Kletterbewegung wie sie alle Nase lang in einer senkrechten siebener Route vorkommt. Diese Bewegung sehen wir in der Draufsicht. Wrden wir sie von der Seite betrachten, wie die Bewegungsreihe von Max beim Doubledyno, knnten wir noch weitere Aussagen bezglich der Bewegungsausfhrung treffen. Ein ungelenkiger Kletterer wird sich zum Beispiel mit seinem Krperschwerpunkt immer weiter von der Wand wegbewegen als ein geschmeidiger Felsartist. Dieser ungnstig wandferne Krperschwerpunkt muss dann durch verstrktes Krallen und Zerren an den Griffen kompensiert werden, was an kleineren und/oder abschssigen Griffen nicht unbegrenzt mglich ist. Worauf ich hinaus will ist das du das Klettern jetzt etwas mehr mit der Lupe betrachten solltest. Die Bewegungen sind im siebten Grad feiner und die Tricks subtiler, sie lassen sich nicht mehr nur mit “und jetzt die linke Hand und jetzt den rechten Fu” ausdrcken. Das soll dich nicht entmutigen, du wirst eher angenehm berrascht sein, wie schnell sich dein Bewegungssehen und deine Expertise fr Kletterbewegungen verbessert wenn du, wie unten beschrieben, mit anderen Kletterern an deiner Bewegungskunst feilst.

Der siebte Grad

Bis in die spten siebziger Jahre ging die Skala nur bis zum VI. Grad, der “Grenze des Menschenmglichen” obwohl auch schon damals viel schwerer geklettert wurde. Auch jetzt noch wird man erst als siebener Kletterer zum Sportkletterer. Hm, Sportkletterer, was heisst das wohl? Das man nicht nur Erlebniss, sondern auch Ergebniss orientiert ist? Das man auf seinen Krper hrt und achtet? Oder das es einen interessiert wie andere Sportler trainieren? So ein bichen davon tut bestimmt nicht schlecht wenn du versuchst dich im siebten Grad zu behaupten. Pass nur auf, dass der Sportler nicht strker als der Kletterer wird! Trainieren um des Trainings willen und sich im schlimmsten Fall einen Kletterstil anzugewhnen der einen sehr stark macht, aber unfhig sich etwas hoch zu schlawinern, wre eine fatale Entwicklung.

Aber kommen wir doch noch mal auf Sportler und ihr Training zu sprechen:
Nur Ausdauersportler trainieren relativ oft alleine. Bei den Ausdauersportarten kommt es darauf an, ein Bewegungsstereotyp ber eine bestimmte Zeit durch zu halten. Whrend des Trainings kann dir dabei keiner wirklich helfen. Ganz anders sieht das bei den technischeren Disziplinen, zu denen man das Klettern wohl zhlen muss aus. Dort gibt es in den traditionellen Sportarten wachsame Trainer und erfahrene Trainingsgemeinschaften.
Beim gemeinsamen Bouldern ergibt sich so eine Situation automatisch, wenn sich eine Gruppe von Kletterern um die Lsung eines Problems bemht. Die Kletterer beobachten sich gegenseitig, um Ideen fr die beste Sequenz oder Krperposition zu bekommen. Obwohl es meistens auch einen Wettbewerb zwischen den Kletterern gibt, sind die potentiellen Vorteile und der spielerische Spa einer solchen Kooperation gro genug, so da die meisten Kletterer ihr Ego beiseite lassen.

Wie knnen wir uns gegenseitig helfen, bessere Kletterer zu werden?
Es ist wirklich befriedigend, mit einem Partner zu trainieren und zu ben. Wir bekommen nicht nur Feedback ber unser Klettern, sondern verbessern, durch die Beobachtung und Analyse anderer, das Gefhl fr eigene Strken und Schwchen. Die effektivste Partnerschaft ergibt sich meistens zwischen etwa gleichstarken Kletterern mit unterschiedlichen Kletterstilen. Vergleichbare Fhigkeiten erlauben, an den gleichen Boulder- oder Kletterproblemen zu arbeiten, whrend die unterschiedlichen Stile Anregungen fr andere Lsungsmglichkeiten geben.
Die Beobachtung anderer, vorzugsweise besserer Kletterer, ist wichtig. Die wichtigste Fhigkeit bei der Partnerarbeit jedoch ist, Bewegungsfehler zu bemerken, ihre Bedeutung einschtzen zu knnen und sie sich oder dem Partner bewut zu machen. Im folgenden sind einige Aspekte aufgelistet, nach denen erfahrene Trainer die Leistung ihrer Schtzlinge beurteilen:

klem loskot bouldering

Bewegungsgenauigkeit

Trifft der Kletterer Griffe und Tritte przise, oder mu er lange herumsortieren? Tritt er unbelastet an, oder verfngt sich der Fu einfach auf dem Tritt?

bouldering in NZ

Bewegungskonstanz

In wie vielen Fllen ist eine Bewegung erfolgreich? Ist die Bewegung sicher? Wie viele Fehlversuche gibt es?

bewegungstempo

Bewegungstempo, Bewegungsflu und Pacing

Braucht der Kletterer lange, um einen Zug zu machen? Wie lange dauert eine Bewegungskombination, die Verbindung meherer Zge? Rhytmisiert der Kletterer, d.h. klettert er schnell durch kraftraubende Passagen und ruhig durch wacklige Stellen?

bernd zangerl bouldering

Reaktionszeit

Kann der Kletterer schnell neue Informationen aufnehmen und verarbeiten? Findet er z.B. beim unverhofften Herausschwingen in einem Dach augenblicklich eine neue Position, oder lsst er sich erst mal aushngen, um Zeit zu “gewinnen”?

bouldering at rocklands / SA

Bewegungsqualitt

Wo befindet sich der Krperschwerpunkt? Wie verhlt er sich bei der Bewegung? Wo wurde die Bewegung initiiert? Wird der Schwung erhalten? Wird mit dem ganzen Krper oder nur mit Krperteilen geklettert?

udo neumann bouldering

Krperarbeit

Wie kann man an diesen Griffen Kraft bertragen? Wie wird der Krper dazu benutzt? Gibt es biomechanisch bessere Wege? Wie wird das Gewicht zwischen den Griffen und Tritten verteilt?

In den Antworten zu diesen und anderen Fragen liegt das Geheimnis der guten Technik. Stell dir oder deinem Partner diese Fragen noch bevor du einen Wutausbruch hast, deine Schuhe aufmachst oder etwas trinkst. Finde heraus, was gut und was falsch lief und rekapituliere es whrend der 30-60 Sekunden nach der Bewegung, also wenn die Erinnerungsspuren in deinem Gedchtnis noch frisch sind.

koerperwelle

 

Die Krperwelle

Die ideale Krperwelle wird in steilerem Gelnde durch leichtes ziehen der Fe nach auen initiert. Durch Anspannung der Beinrckseite folgt die Hfte und nhert sich der Wand. In einer Welle folgt der Rumpf, die Schulter und die Arme bis zu den Fingerspitzen, die den nchsten Haltepunkt fassen. So wird die Kraft auf eine grere Zahl von Muskeln verteilt und der jeweils folgende Muskel kann von dem Impuls des vorhergehenden profitieren. Wir sollten versuchen, die Arme nur dann zu beugen, wenn wir nicht ausreichend Hhe durch vorangehende Hubbewegungen oder Krperverwringungen, zum Beispiel durch Verschiebung der Schulterachse, erzielen knnen. Der Haltearm untersttzt dabei die Hubbewegung der Beine als Drehpunkt bzw. durch Winkelung des Armes. Idealerweise sollte der Impuls, der durch die schon erfolgte Bewegung ausgelst wurde, mit in die Beugung des Armes hineingenommen werden. Damit wird die Armbeugung eine schwungvolle Fortsetzung vorhergehender Bewegungen. Grundstzlich ist die Welle die bevorzugte Ausfhrungsart jeder Kletterbewegung. Manchmal, besonders bei sehr guten Kletterern in nicht so steilem Gelnde, kann sie jedoch so subtil sein, dass man sie kaum erkennen kann.
Beim Erlernen des Kletterns steht die Krperwelle natrlich vor dem Deadpoint (den ich im nchsten Artikel unter die Lupe nehmen werde) denn ohne Welle kein Deadpoint!

Pacing

Leider kann ich in diesem Artikel bei der Beschreibung der Klettertechniken nur auf rumliche Vernderungen und nur unzureichend auf zeitliche Strukturen eingehen. Wenn wir die beschriebenen Techniken jedoch beherrschen, rcken zunehmend Fragen nach dem Timing der Einzelbewegungen und des Gesamtkletterflusses in den Vordergrund. Jeder wird sich schon mal gefragt haben, ob es effektiver ist sich Zeit zu nehmen, um die bestmgliche Bewegungsequenz auszuwhlen, oder intuitiv die erstbesten Zge zu machen, in der Hoffnung, schneller ber die Crux hinaus zukommen. Oder: “Wie lange soll ich an einem Ruhepunkt bleiben, an dem ich mich gar nicht so toll erhole?” Diese Fragen haben mit dem sogenannten Pacing (Was auf deutsch soviel heisst wie Tempogebung) zu tun. Obwohl die Frage nach dem richtigen Pacing bei vielen Sportlern als essentiell angesehen wird, glauben viele Kletterer noch, beim Klettern ginge es um ein langsames, ehrliches, zhes Niederringen der Route. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Je schwieriger die Routen sind, die wir klettern, umso wichtiger wird es, die harten Passagen so schnell wie mglich zu klettern. Pacing ist einer dieser Sachen die man eigentlich nur beim Klettern ben kann. Stell dich an deiner Kletterwand Routen, die entweder mit einem sackharten Boulderstart beginnen und dann deutlich leichter, aber immer noch schlauchend werden. Oder aber solchen, wo man sehr ermdend zu einer explosiven drei Zug Schlsselstelle ganz am Ende klettern muss. Als ich im Verdon war, gelang es den Routen immer wieder mich durch dieses vorsichtige Schleichen einzulullen so dass ich, endlich an der Schlsselstelle angekommen, einfach nicht schnell genug auf giftig, spritzig und aggressiv umstellen konnte. Direkt von unten giftig, spritzig und aggressiv zu starten funktioniert aber auch nicht weil ich dann nach ein paar Metern schon platt bin. Durch die Boulderei bin ich bei Tempovariation etwas aus der bung, wenn ich aber im Verdon etwas Schwieriges hochkommen wollte, wre das Pacing ein ganz ganz wichtiger Aspekt!

Christoph Driever climbing at Turkey

ausgesetzte “dnne” Kletterei (allerdings im neunten Grad!), Christoph Driever in OTUZBIR, Trkei
 

Hier ein paar bungen zur Verbesserung deiner Klettertechnik im senkrechten Gelnde:

Ein Fu
Viele Kletterer fhlen sich nicht wohl, wenn sie nicht beide Fe am Fels haben. In einigen Situationen kann es jedoch gnstigerer sein, einen Fu hngen zu lassen. Versuch einmal, Zge nur mit einem Fu an der Wand zu machen. Du kannst beide Beine zum Hochsteigen nehmen, doch dann, beim Hochgreifen, versuch es mit nur einem!

Zwei Fe
Eine ganz andere Sache ist es, wenn du versuchst, Herr deiner beiden Fe zu werden. (Wie etwa der Tausendfler, der, auf die Frage, wie er denn mit so vielen Beinen klar komme,anfing, darber nachzudenken und sich dadurch hoffnungslos verhedderte!) Herr deiner beiden Fe zu werden heit, da du schon bei der Bewegungsplanung etwa, wenn du runterguckst und die Wand auf Tritte hin sondierst, nicht nur einen, sondern schon beide Tritte planst. Hrt sich einfach an, hm? Dann beobachte mal, wie viele Kletterer den ersten Fu setzen, sich hochdrcken und dann wieder stocken,weil sie einen Tritt fr den zweiten Fu suchen! Mach es dir zur Angewohnheit, im voraus schon beide Tritte zu planen! Als nchstes mut du dich auf deinen beiden Tritten natrlich auch hochdrcken. Ist die Krperposition gut? Wenn nicht, hast du vielleicht Tritte gewhlt die dich vom nchsten Griff eher wegdrcken als hinziehen oder du stehst nicht mit der korrekten Fuhaltung. Wenn du keine zwei zueinander passenden Tritte findest, wechsle kurz zur bung “Ein Fu” (Vielleicht solltest du aber auch nur die Hfte in die eine oder andere Richtung verschieben). Beide Teile lehren dich, wie die Positionierung deines Fues deine Balance beeinflut. Du solltest deshalb beide bungen in jeder Neigung und in jeder Art von Route machen.

Dynamisch klettern
Anfnger und Fortgeschrittene gleichermaen fixieren oft ihren ganzen Krper, whrend sie von Griff zu Griff reichen. Bei denjenigen von uns, die schon sehr lange klettern, halten sich Grundstze wie die Drei-Punkt Regel und die Angst vor Sturzkonsequenzen hartnckig im Hinterkopf. Fr diese Kletterer ist dynamisches Klettern etwas, was man macht, wenn die Kraft nicht mehr zum statischen Klettern reicht. Genau das wollen wir nun ndern. Such dir eine leichte Route, nicht zu steil, mit freundlichen Griffen und mache alle Zge dynamisch, egal wie leicht sie sind. Spre, ob die Bewegung von deinen Armen, deiner Hfte oder deinen Fen ausgeht. Versuche, den Schwung eines Zuges fr den nchsten zu verwenden. Experimentiere mit verschiedenen Fustellungen und Hftbewegungen, um die Bewegung vorzubereiten. be, Griffe in diesem goldenen Moment der Schwerelosigkeit zu greifen. Wenn du diese bungen im Griff hast, klettere Sachen dynamisch, die du normalerweise statisch klettern wrdest, wie zum Beispiel Platten. Bald wirst du deine neu erworbenen Fhigkeiten auf immer haarigere Situationen bertragen knnen. Im Frankenjura zum Beipiel ergeben sich diese erschwerenden Umstnde oft dadurch, da die Fingerlcher schwer zu treffen und zu sortieren sind.

Ein Kletterzug, drei Mglichkeiten…

Kletterphasen

 

 

1. Ziel jeder Kletterposition oder -bewegung ist, den Krperschwerpunkt mglichst im Lot ber die Kontaktpunkte zu bringen oder unter den Kontaktpunkten zum Fels zu halten.

2. Dies funktioniert besser, wenn man diagonal klettert, d.h. die linke Hand hlt und der rechte Fu steht. Wenn ich dagegen mit links halte und auf dem linken Fu stehe (wie auf 2b und 3b) wird der KSP in den meisten Fllen rechts auerhalb dieser Achse sein und um sie herum pendeln wollen.

3. Idealerweise fhrt die Hfte die Bewegung an. Die Bewegung erfolgt in einer Welle.

4. Die gute Kletterbewegung nimmt die Endposition vorweg damit Punkt Eins gewhrleist ist. Dieser Aspekt wird immer wichtiger je schwieriger die Kletterei ist!

udo bouldering in Yosemite, 1983 udo bouldering in Yosemite, 1983
Was war ich 1983 stolz auf diese Bilder. Besonders auf das rechte, wo mir die Fsse kommen! Jetzt seh ich darin nur das Zeugniss meiner damals noch sehr unzureichenden Klettertechnik. Ich hab den Boulder vor ein paar Jahren noch mal gemacht. Der rechte Fuss blieb ganz einfach auf dem Tritt, da ich jetzt die Bewegung sauber einleite. Dadurch ist natrlich auch der Zielgriff viel einfacher zu halten. Nur auf Bildern sieht das fast schon langweilig aus…
— Der Autor bouldert am Columbia Boulder im Yosemite (auf der Rckseite ist Midnight Lightning!)
 
Im nchsten Artikel, wenn es um den Schritt in den achten Grad geht, wird das dynamische Klettern noch wichtiger. Der achte Grad konfrontiert uns schlielich auch mit allen mglichen Gelndeformen. Von der Platte, die bei hohen Temperaturen schon grenzwertig sein kann, bis zum riesigen Dach ist alles drin im achten Grad. Dann werden wir uns auch ein paar Gedanken zum Krpertraining machen mssen, aber bis dahin… viel Spa beim Klettern!
 

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